Aralski More

Mein Wunsch, den Aralsee noch einmal zu sehen, bevor er ganz verschwunden ist, ist bereits so alt wie meine ungeborenen Kinder, die jetzt schon erwachsen sein könnten – also 18 Jahre. So sieht der See in echt aus, wenn man tatsächlich da war:

     

Eigentlich total langweilig, und wenn man auf dem letzten Bild genau hinsieht, schippert auch noch ein öder Schwan darauf herum. Eigentlich wollte ich ja an diesem Ort ein paar Tränen vergießen, um den See mit meiner Traurigkeit wieder ein wenig aufzufüllen. Leider ist die emotionale Stimmung nicht aufgekommen. Stattdessen habe ich dann hineingepinkelt. Ist eh effizienter.

Der Grund für meine Gefühlshemmungen lag wahrscheinlich in der strapaziösen Anreise, denn der See macht sich ja bekannterweise dünn und ist daher nicht so leicht aufzufinden. Wie man trotzdem dorthin findet, habe ich in diesem GPS-Track aufgezeichnet: Aralski More.

Zunächst muss man durch den wohl hoffnungslosesten Ort, den ich je gesehen habe. Aralsk hat ca. 35.000 Einwohner und war in den 1960er Jahren offenbar ein schmuckes Fischerdörfchen mit sozialistischem Tourismus. Davon ist außer verrosteten Hafenanlagen und einem heruntergekommenen Hotel nichts übrig gebliebenen. Das Meer ist jetzt an der nahesten Stelle mehr als 20 Kilometer entfernt. Dort, wo früher das Wasser ans Ufer plätscherte, ist jetzt vermüllte Wüste.

     

Wie öde der Ort ist, zeigt auch dieses kleine verwackelte Filmchen:

Nachdem wir alle möglichen Leute gefragt haben, wo man denn noch den See sehen könnte, erfahren wir, dass wir zu einem Ort namens Tastübek müssen. Dieser ist jedoch schlappe 80 Kilometer von Aralsk entfernt, und zwar fast ausschließlich über Kies- und Sandstraßen. Auf derartigem Untergrund fahren wir mit unserem Bus im zweiten Gang zwischen 20 und 30 km/h. Schnell gerechnet: Noch einmal drei bis vier Stunden Fahrt in der sengenden Hitze. Ist jedoch eine Milchmädchenrechnung gewesen. Eine Reifenpanne sorgt für ein wenig Abwechslung während der öden Fahrerei. Wir beschließen, den Wagen stehenzulassen und mit dem Motorrad weiterzufahren. Bis Tastübek sind es noch über 40 Kilometer. Bei einem Dorf namens Zalanai können wir von weitem ein Schiffswrack erkennen, doch der Weg dorthin verläuft im tiefen Sand. Auch der weitere Weg nach Tastübek besteht nur noch aus plattgefahrenem Sand. Wir kehren um, weil es schon zu spät ist und der Weg mit dem Hund auf dem Tank zu beschwerlich ist.

     

Auf einem kleinen Abendspaziergang macht Sylvia noch ein paar stilvolle Fotos von der Gegend, die eher einer Mondlandschaft gleicht als einem übervölkerten Planeten.

     

Am nächsten Morgen fahre ich alleine mit dem Motorrad los. Ohne Beifahrerin und Hund düse ich mit bis zu 80 km/h über die Pisten. Das ist das richtige Terrain für das Moped. In Zalanai rechts an einer Moschee auf die Sandpiste abgebogen und dann 24 Kilometer auf Sand in unterschiedlicher Konsistenz. Mit normalen Straßenfahrzeugen kommt man hier wegen der tiefen Fahrspuren nicht mehr weiter.

     

Tastübek ist dann am Ende der personifizierte Arsch der Welt. Hier laufen die Einwohner weg, wenn sie fremde Fahrzeuge durch ihr Dorf fahren sehen. Um ans Ufer zu gelangen, muss man noch einmal zehn Kilometer weiter Richtung Süden fahren. Am Ende wird es so morastig, dass ich das Motorrad stehen lassen und mich barfuß durch schilfiges Watt zum Wasser vorarbeiten muss.

     

Zu guter Letzt habe ich dennoch eine tiefe Eingebung am Rande des Sees. Zwischen den Muscheln finde ich einen Stein, der ziemlich genau die Umrisse unserer Reiseroute aus dem Übersichtsbild hat. Wenn das kein Omen dafür ist, dass wir die Reise auch ganz zu Ende fahren.

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